Stoppt das Mercosur-Handelsabkommen!
Die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker steht unmittelbar vor dem Ende ihrer Amtszeit. Auf den letzten Metern scheint der scheidende Luxemburger EVP-Politiker entschlossen, so viele Freihandelsabkommen wie möglich noch unter Dach und Fach zu bringen. Pünktlich zum G20-Gipfel wurde ein »Politisches Übereinkommen« präsentiert, mit dem die seit 20 Jahren währenden Verhandlungen mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zum Abschluss gebracht werden sollen.
Das ist ein fatales Signal an die Bevölkerung von Argentinien, die kurz davorsteht, ihren extrem neoliberalen Präsidenten wegen dessen völlig gescheiterter Wirtschaftspolitik in den Wahlen aus dem Amt zu jagen. Das ist ein fatales Signal der Unterstützung für den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, gegen den Millionen Menschen in den letzten Wochen auf die Straße gegangen waren. Dieser Mann repräsentiert alles, wogegen wir als Linke gekämpft haben. Gewerkschafter, Mitglieder der PT, der Kommunistischen Partei und anderer linker Oppositionsgruppen leben in Brasilien erneut in Angst. Den Arbeitnehmern wurde von Bolsonaro mitgeteilt, dass sie sich entscheiden müssten, ob sie Arbeitnehmerrechte oder Arbeit haben wollen.
Bolsonaro hat die großflächige Abholzung von Wäldern im Amazonas-Gebiet angekündigt, um damit ein Versprechen einzulösen, dass er für seine Unterstützung durch das brasilianischen Agrobusiness gegeben hatte. Mehr als 68 Prozent der von Ureinwohnern bewohnten Schutzgebiete sind dadurch bedroht. Es ist nicht nur naiv, sondern zynisch, wenn die EU Kommission behauptet, der Mann würde sich doch auf dem Papier zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichten. Der Regenwald wird gerodet, die Flächen gehen an gigantische Rinderfarmen. Arbeitslohn ist dort oft nur noch ein Dach über dem Kopf für die Familie und etwas zu essen. Diese moderne Form der Sklaverei breitet sich in Brasilien unter Bolsonaro rasch aus. Was bedeutet bei diesen Fakten die Anerkennung einiger ILO-Standards in einem Handelsabkommen? Wie sollen diese durchgesetzt werden?
Mit den Werten und Grundsätzen, auf denen die EU basiert, hat dies ebenso wenig zu tun wie mit Nachhaltigkeit, Schutz der Umwelt und natürlich der umfassenden Respektierung von Menschen- und Bürgerrechten. Trotzdem sprach EU-Kommissionspräsident Juncker von einem »historischen Moment« und vom »größten Deal in der Geschichte der EU«, als er die politische Einigung auf ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur vermeldete. Nahezu wortgleich äußerte sich Bolsonaro.
Doch dieser Deal ist schlecht für die Menschen. Nirgends werden mehr Pestizide eingesetzt als in Brasilien und Bolsonaro hat gerade noch 250 weitere Pestizide zugelassen, von denen viele auf Verbotslisten der UNO stehen. Und das Zeug soll in nun auf unsere Teller exportiert werden? Das wird geschehen, denn europäische Bauern können mit den extrem niedrigen Erzeugerpreisen in Brasilien und Argentinien nicht konkurrieren. Höfe werden sterben. Die überfällige Umstrukturierung der gemeinsamen Agrarpolitik wird noch schwerer werden.
Umgekehrt werden die Unternehmen in Südamerika nicht in der Lage sein, nach Wegfall der Zollschranken mit der Produktivität unserer Industrien bei Autos, Maschinenbau oder Chemie zu konkurrieren. Industriearbeitsplätze im Mercosur würden durch das Abkommen stark gefährdet. Das Mandat der Verhandlungen stammt aus dem Jahr 2000. Die seitdem sich vollziehenden Veränderungen in Industrie und Landwirtschaft und technologischen Umwälzungen in den Produktionsabläufen, die Herausforderungen aus Digitalisierung und Datenschutz sowie vor allem notwendige Schlussfolgerungen für Umwelt- und Artenschutz, Klimaneutralität wurden in dem veralteten Mandat noch nicht annähernd reflektiert.
Unserer Handelspolitik muss entlang der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 und zur Vermeidung der Klimakatastrophe neu ausgerichtet werden. Das Handelsabkommen EU – Mercosur trägt dazu keine Zeile einklagbarer Verpflichtungen bei. Ich werde Kandidatin Ursula von der Leyen vor ihrer Wahl zur Kommissionspräsidentin mit unseren Fragestellungen konfrontieren. Ihr sollte eines bewusst werden: Am Ende entscheidet 2020 das Europaparlament als Ko-Gesetzgeber, ob es ein Handelsabkommen geben wird.
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