Die Politik der Bundesregierung zerstört die europäische Idee
Fabio De Masi im Gespräch mit dem Blog "Die Freiheitsliebe"
Am 25. Mai finden in der EU Wahlen zum Europaparlament statt, in der Linken wird kontrovers darüber diskutiert, ob die EU neoliberal, militaristisch und undemokratisch ist. Wir haben mit Fabio de Masi, Ökonom, Bewerber um Listenplatz 6 auf der Europaliste der Linken und Mitarbeiter von Sahra Wagenknecht, über die Debatten in der LINKEN, die Krise, Freihandelsabkommen und die militärische Rolle der EU gesprochen.
Die Freiheitsliebe: Wie sehr würde das geplante Freihandelsabkommen mit den USA linke Politik in Deutschland und der EU erschweren?
Fabio de Masi: Handelsabkommen sind völkerrechtliche Verträge. Die EU Kommission hat hier ein starkes Verhandlungsmandat, da kommt man unilateral nicht mehr so einfach raus. Das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) nutzt den großen Banken und Konzernen. Die Zölle zwischen den USA und der EU sind ohnehin sehr niedrig. Beim TTIP geht es daher um die Beseitigung der sogenannten „nicht-tarifären“ Handelshemnisse, insbesondere soziale und ökologische Standards. Das TTIP bedroht daher auch massiv Arbeitnehmerrechte. Ursprünglich war auch eine sogenannte Investitionsschiedsgerichtsbarkeit vorgesehen, d.h. Konzerne sollten vor quasi privaten Schiedsgerichten gegen alles klagen können, was ihre Profite schmälert. Vattenfall verklagt bereits die Bundesregierung auf über 3 Milliarden Euro Schadensersatz wg. des Ausstiegs aus der Atomenergie. Das wäre dann Normalität.
Die Freiheitsliebe: In welchen Bereichen würde sich das Abkommen konkret auswirken?
Fabio de Masi: Das TTIP hat vor allem Auswirklungen im Bereich der Lebensmittelsicherheit. Die US-Agro- und Lebensmittelindustrie will den europäischen Markt mit Hormon- und Chlorfleisch sowie Gentechnik fluten. Es droht die weitere Deregulierung der Finanzmärkte, die Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen sowie die Stärkung von Monopolisten im Bereich des geistigen Eigentums –hier versprechen sich europäische Pharmakonzerne Gewinne in den USA.
Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten gibt es dieses noch zu verhindern?
Fabio de Masi: Es hat sich bereits Widerstand über Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen formiert. Die Politik ist da durchaus für Druck empfänglich. Es gibt ja das Gerücht, dass Politiker durchaus wieder gewählt werden wollen. EU Handelskommissar De Gucht hat nun angekündigt die Verhandlungen über das Konzern-Klagerecht auszusetzen. Allerdings ist eine Investitionsschiedsgerichtsbarkeit auch in CETA – dem Freihandelsabkommen mit Kanada –vorgesehen. US-Konzerne müssten dann eventuell nur Zweigniederlassungen in den USA gründen, um das Schiedsgericht zu nutzen. Kanadische Konzerne könnten das ohnehin tun. Das Europäische Parlament hat im Bereich der Handelspolitik Mitentscheidungsrechte. Im Bereich der Dienstleistungen und des geistigen Eigentums gibt es eine gemischte Zuständigkeit mit den Mitgliedsstaaten. Daher sollte auch der Bundestag befasst werden. Die Bundesregierung gibt dazu bisher keine klare Auskunft. Es ist nun wichtig auch den Druck über die Gewerkschaften zu erhöhen.
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