Zehn Jahre Rana Plaza: Handelsverträge der EU auf den Tisch!

22.04.2023

Eine Kommentar von Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament:

Am Montag jährt sich der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudekomplexes in Bangladesch mit 1.138 Toten und über 2.000 Verletzten zum zehnten Mal. Und auch eine Dekade nach der Katastrophe in dieser traurige Berühmtheit erlangenden Textilfabrik in Dhaka gibt es Menschenrechtsverletzungen und Umweltverbrechen in der globalen Wertschöpfungskette der Bekleidungsindustrie. Noch immer fehlt es in den Produktionsländern wie Bangladesch, Pakistan, Kambodscha, Philippinen oder Indien an existenzsichernden Löhnen, die Gewerkschaften sind oft noch schwach oder werden behindert, gibt es zu wenige konkrete Pläne und Vorschriften, um die Sicherheit von Industriegebäuden zu gewährleisten.

Ja, es ist einiges passiert in den Jahren nach der Tragödie. Das Handelspräferenzsystem der EU wurde geschärft - aber es fehlt noch die entsprechende Lieferkettengesetzgebung mit verbindlichen Auflagen, die auch juristisch durchgesetzt werden können. Denn oftmals unterlaufen die großen Retailer auch nationale Gesetzgebungen - hier sind endlich entsprechende gesetzliche Regelungen in der gesamten Wertschöpfung durchzusetzen. Ja, mit dem sogenannten ACCORD-Abkommen gibt es inzwischen einen Mechanismus, der unter anderem einen Maßnahmenplan zur Verbesserung der Gebäudesicherheit vorsieht und dem seit kurzen neben Bangladesch auch Pakistan auf der Produzentenseite angehört. Allerdings verweisen Entwicklungshilfeorganisationen wie INKOTA oder die Fair Trade Strukturen, darunter Clean Clothes, zurecht darauf, dass bis heute Gerbereien und Fabriken für Schuhe und Lederwaren nicht in die Vereinbarung einbezogen sind (Erklärungen der NGOs siehe Anlage).

Ich sage ganz klar: Wir brauchen eine breiten EU-weiten, ja internationalen Ansatz, gesetzliche Vorgaben und staatliche verbindliche Kriterien, die soziale und ökologische Standards festzurren, um Katastrophen wie 2013 zu verhindern und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu sichern. Ein zentrales Instrument können – und müssen – verbindliche handelspolitische Regelungen und auch entsprechende durchsetzbare Auflagen in Handelsverträgen sein, die die EU mit Drittstaaten abschließt. Ganz entscheidend dürfte hier für die EU die anstehende Abstimmung zur Lieferketten-Gesetzgebung werden, entgegen aller Versuche aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen und Unternehmensgruppen, zu strenge Auflagen in der EP-Position auszubremsen. Die globalen Wertschöpfungsprozesse dürfen nicht dem freien Spiel von Unternehmen aus dem globalen Norden, auch aus EU-Ländern, überlassen werden. Dazu sind nicht nur die aktuell verhandelten, sondern auch die bestehenden Freihandelsabkommen auf den Tisch und dahingehend geprüft werden. Der Lackmustest für diese Verträge wie die gesamte Handelspolitik muss sein, wie diese zur Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele beitragen.

Wo verhandelt die EU aktuell über Handelsabkommen?

Der Handelsausschuss des Europarlaments(INTA) wird am kommenden Mittwoch aus Anlass dieses 10. Jahrestages eine Bestandsaufnahme vornehmen und konkrete Schlussfolgerungen der EU-Kommission und des Rates einfordern.

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