„Es geht nicht um eine Wirtshausschlägerei“
Hat mit den Gegenmaßnahmen der EU auf die „Strafzölle“ der USA der Handelskrieg endgültig begonnen?
Die Ereignisse spitzen sich tatsächlich zu. Die europäischen Gegenmaßnahmen im Gesamtwert von 2,8 Milliarden Euro werden einige amerikanische Unternehmen hart treffen. Die EU-Kommission hat dabei ganz bewusst Produkte aus Wahlkreisen von einflussreichen Kongressabgeordneten gewählt.
Zum Beispiel?
Exporteinbußen beim Bourbon-Whiskey könnten Widerstand in Kentucky gegen die Vorschläge von Präsident Trump erzeugen. Kentucky ist Heimatstaat des Sprechers der Republikaner im Senat Mitch McConnell. Ebenso sollen höhere Zölle auf Harley-Davidson-Motorräder eine Wirkung erzielen. Diese Kult-Motorräder werden in Wisconsin hergestellt, dem Heimatstaat von Paul Ryan, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus. Das Kalkül dieser von den EU-Mitgliedstaaten im Rat genehmigten Maßnahmen besteht darin, so den politischen Rückhalt der Trump-Administration zu schwächen.
Glauben Sie, dass diese Strategie Aussicht auf Erfolg hat?
Im November sind Wahlen in den USA. Alle Kongressabgeordneten und ein Drittel der Mitglieder des Senats sind in den nächsten Monaten im Wahlkampf. Da Trump nicht nur die EU zu Gegenmaßnahmen provoziert hat, sondern auch alle anderen wichtigen Handelspartner der USA, sind Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze zu erwarten. China reagierte mit Importstopp für Soja und andere Agrargüter, aber auch Industrieprodukte, Kanada und Mexiko erhöhten stark die Zölle auf bestimmte US-Produkte. Trump scheint zu hoffen, dass die Probleme erst nach den Wahlen sichtbar werden.
Die Strafzölle schaden also der US-amerikanischen Wirtschaft mehr als der europäischen?
Europa schadet dieser Konflikt auch. Bestimmte Produkte werden für unsere Bevölkerung teurer. Vielleicht verschiebt sich aber auch die Kaufentscheidung einfach zu Whiskey, Jeans, oder Erdnussbutter zu Anbietern aus anderen Regionen der Erde. Für amerikanische Biertrinker werden allerdings durch die Aluminiumzölle nun die Bierdosen teurer.
Die US-Unternehmen haben es hingegen tatsächlich schwerer, weil sie bestimmte Qualitätsprodukte im Stahlsektor gar nicht mehr in den USA herstellen oder kaufen können. Ihre Einkaufskosten erhöhen sich also, wodurch sie in der globalisierten Weltwirtschaft nun Preisnachteile gegenüber ihrer Konkurrenz aus Kanada, Europa, Indien und China haben.
Kommen auch die angedrohten Strafzölle auf Autos?
Wir haben am Mittwochmorgen im Handelsausschuss des Europaparlaments mit dem Generaldirektor der Direktion Handel der EU-Kommission, Jean-Luc Demarty, über die Lage diskutiert. Demarty rechnet damit, dass diese Zölle noch vor den Wahlen kommen. Ich schätze das auch so ein. Importzölle auf Autos und Autoteile aus der EU werden im Wahlkampf auf 25 Prozent erhöht werden, damit Trump sich als harter Mann im Konflikt profilieren kann. Gegen China hat er bereits weitere Zölle in Höhe von 50 Milliarden verhängt und weitere 200 Milliarden Strafzölle angekündigt.
Sind denn Trumps Vorwürfe gegen China, Deutschland, gegen NAFTA und die WTO völlig unberechtigt?
Zum Teil sind sie berechtigt. Aber als Linker kritisiere ich den Kapitalismus, während Trump lediglich mit seinem Anteil am Profit unzufrieden ist. NAFTA hat Unternehmensentscheidungen ermöglicht, Industriearbeitsplätze aus den USA nach Mexiko zu verlegen. Gleichzeitig verlor Mexiko einen Großteil seiner landwirtschaftlichen Produktion an die USA. Verloren haben jeweils die Menschen, die sozial schlechter gestellt wurden oder sich zur Migration gezwungen sehen. Technologien, Wirtschaft und Finanzkapitalismus haben sich jedoch seither noch weiterentwickelt. Auch ohne einen Vertrag wie NAFTA verlagerten alle großen amerikanischen Computermarken wie Apple oder Intel ihre Produktion nach China. Die Massenproduktion organisiert dort das taiwanesische Unternehmen Foxconn, das börsennotiert ist. Härteste Arbeitsbedingungen werden in einem globalisierten Kapitalismus genutzt, um Flachbildfernseher, Handis und Smartphones zu einem Preis auf den Markt zu bringen, der diese Geräte für viele erst erschwinglich macht. In den USA produzieren europäische Unternehmen auch mit amerikanischen Beschäftigten Autos, vor allem für den chinesischen Markt. Die 10 000 einzelnen Bestandteile dieser Autos werden aus Deutschland, Tschechien, Costa Rica, Japan oder auch Wisconsin geliefert. Strafzölle, die Wertschöpfungsketten stark stören, gefährden damit auch Arbeitsplätze.
Das würde aber auch für Strafzölle gelten, die von uns in der EU in Reaktion auf Trump verhängt werden.
Richtig. Ein Handelskrieg schadet vor allem Beschäftigten und Konsumierenden. Die Bewahrung gemeinsamer Regeln und Standards, die verbindlich für alle gelten, wird unterwandert. Gegenüber der EU Kommission habe ich mich für eine gemäßigte Reaktion ausgesprochen. Leider äußerte Demarty allerdings die Ansicht, dass nach seiner psychologischen Einschätzung Trumps dieser nur verstünde, wenn man ihm auch Stärke zeigen würde. Das klingt für mich nach zu viel Testosteron in der Analyse. Es geht hier nicht um eine Wirtshausschlägerei.
Wo liegt die Lösung?
In der Zeit und in der Wahl der Partner. Trumps einzige Chance, noch einmal wiedergewählt zu werden, liegt in der Provokation eines Konfliktes. Dieses Geschenk sollten wir ihm nicht machen. Wir sollten uns als Europäerinnen und Europäer gerade jetzt solidarisch gegenüber den positiven Kräften in den USA verhalten, wie zum Beispiel den Gewerkschaften, den zahlreichen Jugendinitiativen gegen die Waffenlobby, den Frauenverbänden, die sich täglich Donald Trump und seinem moralischen Rollback entgegenstellen.
Was den Handel betrifft, müssen wir nun international solidarisch gegenüber den anderen Partnerländern auftreten, die ebenfalls von der Trump-Administration mit unrechtmäßigen Strafzöllen überzogen wurden. Es ist sehr wichtig, gerade auch gegenüber China, jetzt für das Prinzip der Gleichheit vor dem Recht einzutreten und in der WTO gemeinsam gegen den Unilateralismus der USA vorzugehen. Es ist ein schwerer Fehler der EU-Kommission, den USA Nibelungentreue beim Vorgehen gegen China anzubieten. Themen wie die Überproduktion von Stahl lösen wir nur gemeinsam mit China im Rahmen des beim G20-Gipfel geschaffenen Weltstahlforums. Wir dürfen uns da nicht von Trump in einen Konflikt mit China ziehen lassen, der nicht im europäischen Interesse wäre.
Drittens aber müssen wir vor allem die Handelspolitik der EU radikal ändern, um die Armut in der Welt zu überwinden und um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis 2030 erreichen zu können. Unsere Partnerländer und -regionen in Afrika, Asien und Lateinamerika müssen eigene Wertschöpfung und eigene Industriepolitik entwickeln können, um nicht mehr nur Handlanger oder Rohstofflieferant zu sein. Das muss für uns zum Maßstab für Handelsabkommen werden.
Interview: Uwe Sattler
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